Welche Sparrate ist wirklich optimal?
Warum Sparen nicht zum Selbstzweck werden sollte!
13.08.2025
Rubrik: Meinung
Autor: Markus Gäth
Als Besucher dieser Seite kennst du sicherlich diesen Gedanken: “Wie kann ich mein Erspartes möglichst schnell vergrößern?” Ein wesentlicher Bestandteil dabei ist der Anteil deiner Einnahmen, den du regelmäßig zur Seite legen kannst - die sogenannte Sparrate. Je höher diese ist, desto schneller steigt dein Vermögen. Aber wie hoch sollte sie idealerweise sein? Und ist das Ziel, die Sparrate zu maximieren, wirklich das Richtige?
Zugegeben, die Frage erscheint auf den ersten Blick relativ plump und natürlich kommen einem schnell Antworten wie “Geld allein macht nicht glücklich” in den Sinn. Aber ich möchte hier gar keine Lebensphilosophie diskutieren, sondern möglichst sachlich den Zweck hinter dem Sparen beleuchten. Denn viel zu oft stelle ich fest, dass Menschen relativ stumpf einem bestimmten Sparziel hinterherlaufen.
- "Ich möchte 100.000 EUR ansparen!”
- “Ich möchte 500.000 EUR auf dem Konto haben, bis ich 40 bin!”
- “Ich möchte Millionär werden!”
Immer seltener hört man einen echten Grund, wofür das Geld eigentlich benötigt wird. Auf explizite Nachfrage, warum man sich dieses Sparziel gesetzt hat, erntet man häufig ungläubige Blicke: “Warum denn nicht?”

Möchte wirklich jeder nur noch reich werden?
Vor einigen Monaten habe ich angefangen, den einen oder anderen Beitrag auf reddit.com zu lesen (Was ist Reddit? Hier eine Erklärung auf heise-regioconcept.de [externer Link]). Ein paar Subreddits (das sind einzelne Themenrubriken auf Reddit, die von freiwilligen Moderatoren betreut werden), über die ich teilweise per Zufall gestolpert bin, haben dabei mein Interesse geweckt und ich bin ihnen beigetreten. Das führt dazu, dass ich nun von Zeit zu Zeit auf meinem Handy eine Benachrichtigung bekomme und auf den einen oder anderen Beitrag aufmerksam gemacht werde.
Natürlich sind das in vielen Fällen Beiträge, die etwas mit Finanzen zu tun haben. Und meistens sind sie von der Form, dass jemand einen finanziellen Rat bei der Community sucht oder einen Rat da lassen möchte. Manchmal lassen sich die Leute auch einfach nur für ihre Erfolge feiern: “Ich habe in 5 Jahren ein Vermögen von 100.000 EUR erreicht!” Das löst dann nicht selten eine große Beifallsbekundung aus.
Heute MorgenVor Kurzem kam jedoch ein etwas nachdenklicherer oder zumindest reflektierender Beitrag auf mein Handy-Display als üblicher Weise. Jemand berichtete, wie er für sich festgestellt hat, dass er mit einem entspannteren Umgang mit Geld und sogar mit weniger Geld auf der hohen Kante auf einmal viel glücklicher ist.
Ich fand diesen Beitrag nicht nur erfrischend anders, er hat mich auch zum Nachdenken gebracht. Nicht, dass ich vorher ein fanatischer Sparer gewesen wäre, der lediglich von Nudeln und Ketchup gelebt hat, um auch den letzten Cent in Aktien und Festgeld zu investieren. Die eine oder andere Belohnung habe ich mir durchaus gegönnt. Aber gerne gefolgt von einem unmittelbaren schlechten Gewissen: “Musste das jetzt wirklich sein? Hätte ich das Geld nicht besser sparen sollen?”
Pro und Contra von Sparzielen
Ich habe mir natürlich auch immer wieder konkrete Ziele für mein “Vermögen” gesteckt. Warum? Teils, weil damit Anschaffungen verbunden waren. Teils aber auch schlicht, um mich selbst zu motivieren, ein wenig sparsamer zu sein und um den üblichen Konsumdrang stärker zu kontrollieren.
Meistens haben diese Sparziele auch ihren Zweck erfüllt. Meine Erfahrung ist also, dass solche Ziele einen enormen psychologischen Effekt haben können. Es kann also absolut sinnvoll sein, sich ein konkretes Ziel für sein Vermögen oder für seine Sparrate zu setzen. Besonders wenn man (wie ich) sonst schnell die Disziplin verliert und feststellt, dass man auf einmal wieder viel zu viel Blödsinn gekauft hat.
Wie in vielen anderen Lebenslagen auch, kann das Streben nach einem bestimmten Ziel aber auch zur Besessenheit werden. Und das im Zweifel auch schleichend und unbemerkt. Da wird dann nach und nach auf vieles andere verzichtet, was nicht auf das angestrebte Ziel einzahlt.
Natürlich, ein gewisser Notgroschen ist natürlich absolut ratsam und das Ansparen darauf rechtfertigt auch mit Sicherheit gewisse Einschränkungen im Alltag. Aber bei echten Hardcore-Sparern geht es wohl nicht mehr um diesen Notgroschen, sondern um deutlich mehr.
Im Extremfall kann das sogar die finanzielle Unabhängigkeit sein. Man möchte also so viel Geld zur Seite schaffen, dass man davon leben kann und nicht mehr auf einen Job angewiesen ist. Dieses Vermögen wir gerne auch als “F*** you Money” bezeichnet. Wenn ich so viel Geld angehäuft habe, kann mich die Welt am Allerwertesten.
Dieses Ziel zu erreichen ist allerdings ein sehr anspruchsvolles und für Otto-Normalverdiener kaum zu erreichen, da dafür in den meisten Fällen siebenstellige Summen anzusparen wären (wie man zum Beispiel bei Tagesschau.de (extner Link) nachlesen kann oder mit unserem Rentenrechner selbst ausrechnen kann). Das Sparen auf echten Wohlstand ist daher in der Regel kein wirklich sinnvolles Ziel. Realistischer wären dagegen Sparziele von 10.000 EUR oder ein paar 100.000 EUR.
Bleibt wieder die Frage, wozu? Für den Notgroschen? Das ist akzeptiert! Und alles darüber hinaus? Wozu braucht man die nächsten 10.000 EUR, die man sparen möchte, wirklich? Und worauf ist man bereit, dafür zu verzichten? Den Kinobesuch? Mit Freunden essen gehen?
Wer sich für seinen krassen Ehrgeiz beim Sparen feiert, setzt vielleicht die falschen Prioritäten im Leben. Zu energisches Sparen kann schnell Einfluss auf die Lebensqualität nehmen. Manchmal unbewusst und manchmal auch ganz bewusst. Erreichte Sparziele werden gefeiert und durch noch höhere Ziele ersetzt.
Ähnliche Verhaltensmuster kennt man auch von Krankheitsbildern wie Magerwahn oder Fitness-Sucht. Es fängt mit ein wenig Abnehmen oder Sport an. Erste Ziele werden erreicht und man fühlt sich gut. Häufig kommt auch Bestätigung von anderen hinzu: “Du siehst aber gut aus, hast du abgenommen?” Aus einem sinnvollen Ziel kann aber auch ungesunder Ehrgeiz entstehen.
Das Leben kann hart sein
Ein weiterer Aspekt, der betrachtet werden sollte, ist die übliche Veränderung der Lebenssituation. Als Berufseinsteiger mit erstem Gehalt und wenig Verpflichtungen fällt es einem noch relativ leicht zu sparen. Meistens wachsen mit der Zeit aber nicht nur die eigenen Ansprüche, vielleicht kommen auch weitere Ansprüche und Verpflichtungen von anderen Personen hinzu. Ein Lebenspartner kommt dazu, mit dem man gerne reisen möchte. Vielleicht noch Kinder, die versorgt werden müssen und vermutlich wenig Verständnis für Sparsamkeit haben.
Schnell kommt man an den Punkt, an dem man ein Auto braucht oder sich eine Immobilie kaufen möchte. Dann sind große Teile des angesparten Geldes (wenn nicht alles) häufig weg. Man hat also 10, 20 oder 30 Jahre Geld angespart und auf dem Weg dorthin auf vieles verzichtet, nur um es dann doch auf einen Schlag auszugeben (oder ausgeben zu müssen).
Klar, besonders Immobilien können auch als Investitionsobjekt angesehen werden, aber Fakt ist, das Geld ist erstmal weg. Und diverse Nebenkosten bei der Anschaffung hat man auch: Notar, Grundbuch, Makler, Grunderwerbssteuern. Diese müssen durch eine Wertsteigerung der Immobilie erstmal verdient werden.
Meist reicht das gesparte Vermögen noch nicht einmal, um eine Immobilie damit vollständig finanzieren zu können. Das bedeutet, nach jahrzehntelangem Verzicht, um möglichst viel Geld zu sparen, ist man am Ende dann sogar auf Jahre verschuldet.
Wer bei der Bank einen Immobilienkredit beantragen möchte, muss dabei übrigens sein Eigenkapital angeben. Je höher dieses ist, desto geringer sind in der Regel die Zinsen, die man für den Kredit bezahlen muss. Es macht also durchaus Sinn, mit möglichst viel eigenem Geld in solche Kreditgespräche zu gehen - das gezielte Sparen für einen Hauskauf ist also sinnvoll.
Auf der anderen Seite muss man sein Eigenkapital beim Bezahlen der Immobilie aber auch als erstes ausgeben, bevor die Bank Geld aus dem Kredit bereitstellt. Ein Immobilienkauf ist für Eigenkapital also ein echter Endgegner. Unterschlägt man sein Eigenkapital bei der Kreditbeantragung, muss man dagegen höhere Zinsen bezahlen, was entsprechend teuer werden kann.
Der Autor des reddit-Beitrags, den ich am Anfang erwähnt hatte, hatte genau diese Situation. Er hatte auf vieles verzichtet und ist relativ unreflektiert einem Sparziel hinterhergelaufen. Er fing an, dieses Ziel zu hinterfragen und entschied, seine Sparrate bewusst zu reduzieren. Er kaufte sich sogar eine Immobilie, was unter vielen Hardcore-Sparern als äußert umstritten gilt, da Miete nicht selten die lukrativere Variante im Vergleich zu einem Hauskauf ist, wenn man alle finanziellen Gesichtspunkte wie Kapitalbindung, Reparturkosten, Instandhaltungskosten und so weiter betrachtet.
Er hat seine Entscheidung aber nicht nur von seinem Sparziel abhängig gemacht, sondern vor allem von seinem Gefühl. Er fühlte sich durch den hohen Spardruck gestresst und konnte vieles nicht mehr unbeschwert genießen, was mit Geldausgeben zu tun hatte.
Nachdem er “Sparen um jeden Preis” nicht mehr als sein oberstes Ziel angesehen hat, hat sich seine Lebensqualität dadurch wieder deutlich erhöht. Das gekaufte Haus war zudem auch noch seine Traumimmobilie. Er genießt jetzt sein neues Haus und gönnt sich von Zeit zu Zeit bewusst eine kleine Annehmlichkeit. Eine gewisse Sparrate bleibt natürlich, aber es wird eben nicht mehr versucht, diese Rate mit allen Mitteln zu erhöhen und zu verteidigen.
Die Moral von der Geschichte
Es ist ABSOLUT richtig und wichtig, ein gewisses Finanzpolster zu haben. Schwierige Zeiten werden so sicher eintreten wie der nächste Börsencrash. Und dann hilft ein bisschen “Kleingeld” in vielen Fällen weiter.
Unreflektiert und ohne Verstand einem nicht erreichbaren oder zumindest inhaltslosen Sparziel hinter zu laufen, sollte stark hinterfragt werden. Reduziert nicht eure Lebensqualität, nur um mehr Geld zu haben, aber ohne zu wissen, wofür ihr dieses jemals benötigen wird
Lasst Sparen und ein dickes Konto nicht euer einziger Lebensinhalt werden! Sonst schaut ihr irgendwann zurück und merkt, dass ihr euch zwar so gut wie alles leisten könnt, aber die schönste Zeit bereits vorbei ist und niemand mehr da ist, der mit euch das Geld ausgeben möchte.
Oder ihr seid irgendwann frustriert, weil ihr merkt, dass das Leben immer mehr Geld fordert, als ihr sparen könnt. Seid ehrlich zu euch selbst. Ist finanzielle Freiheit wirklich erreichbar? Wollt ihr irgendwann vielleicht mal ein Haus kaufen? Eine Familie gründen? Eine Weltreise machen? Solche Ereignisse kosten enorm viel Geld. Rechnet also damit, dass ihr früher oder später auf große Teile eures Vermögens wieder verzichten müsst. Je ehrlicher ihr zu euch seid, desto mehr Freude werden ihr dann auch haben, das Geld dafür auszugeben.
Eine gesunde Sparrate, die neben dem reinen Aufbau eines Finanzpuffers auch gerne mit solchen konkreten Zielen verknüpft ist (Hauskauf, Autokauf, Reise…), ist natürlich absolut empfehlenswert. Das hier ist kein Aufruf für Prasserei und Verschwendung.
Lasst es aber auch bitte nicht ins andere Extrem kippen: Sparen um jeden Preis. Geld bleibt schließlich immer nur ein Mittel zum Zweck - aber sollte niemals der Zweck selbst sein!