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Was ist Diver­si­fi­kation (oder auch Diver­si­fizierung)?

Und wie kann ich damit mein Risiko reduzieren?

26.10.2023

Rubrik: Wissen

Autor: Markus Gäth

Die Finanzwelt ist voller Fachbegriffe, die auf den ersten Blick kompliziert erscheinen. Einige von ihnen mögen es sogar sein, aber viele sind dagegen äußerst einleuchtend und schnell verständlich. Die Bedeutung des Begriffs Diversifikation lässt sich schon dadurch leicht ableiten, indem man sich den Wortstamm anschaut - “divers”. Laut Wiktionary bedeutet das so viel wie “mehrere”, “unterschiedliche” oder “vielfältig”. In der Finanzwelt ist damit die Anzahl und die Unterschiedlichkeit der Anlagen gemeint, die man für den Vermögensaufbau abschließt. Warum eine möglichst große Anzahl und eine hohe Unterschiedlichkeit der Anlagen ein Vorteil ist, erklären wir im Folgenden.

Mit Statistik zum Ziel

In der Finanzwelt basieren viele Beobachtungen und Erkenntnisse auf Statistik. Keine Sorge, diese Statistiken muss man nicht im Detail verstehen oder selber berechnen. Die Prinzipien, die hinter den Berechnungen stecken, leuchten meist auch ohne die mathematischen Grundlagen ein.

Ein einfaches Beispiel, das klar macht, dass viele Aussagen auf reiner Statistik beruhen (oder leider genau dem Gegenteil), wäre das Thema Glücksspiel. Jeder weiß, dass man beim Glücksspiel relativ schlechte Chancen hat, mit einem Gewinn aus dem Spiel zu gehen. Egal ob beim Roulette, Black Jack oder beim Lotto. Jeder kennt die Regel: “Am Ende gewinnt immer die Bank!”

Das hält viele Leute aber nicht davon ab, ihr Glück zu versuchen. Immerhin beschreibt diese Statistik ja nur den Durchschnitt. Es verlieren also mehr Menschen Geld als andere Geld gewinnen. Aber trotzdem könnte man ja zufällig zu den glücklichen gehören, die heute den Jackpot knacken (mal ehrlich, wer hat bei der letzten Lotto-Rekordsumme nicht mal überlegt, ausnahmsweise einen Lottoschein auszufüllen).

Unser Gehirn spielt bei Geldangelegenheiten leider oft verrückt und will uns weiß machen, dass unsere Chancen vielleicht ja doch nicht so schlecht sind, wie wir glauben. Dabei sagt uns die Mathematik, dass wir eigentlich kaum eine Chance haben, unser Geld wirklich zu vermehren. Würden wir in diesem Fall auf die Statistik hören, würden wir unser Geld gar nicht erst aufs Spiel setzen. Das würde uns zwar auch die Chance auf einen Gewinn nehmen, aber das Risiko, Geld zu verlieren, ist im Glücksspielbereich wohl höher, sodass uns eine nüchterne Statistik in diesem Fall vor handfestem Schaden bewahren würde.

Solche Statistiken, die auf einer großen Masse an Fällen und Daten basieren, geben im Finanzbereich wichtige Eckpfeiler vor. Diversifizierung ist im Grunde nichts anderes als ein Ansatz (oder eine Lehre), der auf so einer Statistik beruht.

Nehmen wir als neues Beispiel einen Aktieninvestor, der all sein Kapital in eine Aktie investiert. Jetzt die kritische Frage: Ist es schlau, sein Geld in genau eine Aktie zu investieren (selbst wenn es sich dabei um die heißeste Trend-Firma handelt, die man sich gerade vorstellen kann)?

Der statistikorientierte Ökonom würde in jedem Fall „NEIN“ sagen. Warum? Weil das Risiko eines Verlusts zu groß ist. Investiert ein Anleger sein gesamtes Kapital in eine Aktie, dann ist sein Kapital unmittelbar mit dem wirtschaftlichen Schicksal dieser Firma verbunden.

Klar, wenn die Firma, von der ich Aktien gekauft habe, ihren Wert verdoppelt, verdoppelt sich auch mein Kapital. Aber geht die Firma pleite, verliere ich mein Geld.

Ein solcher Totalausfall des Kapitals ist in der Finanzwelt so ziemlich das schlimmste, was einem Investoren passieren kann (mal abgesehen von noch wilderen Anlagekonstrukten, bei denen man als Investor sogar Schulden machen kann, zum Beispiel bei Optionen oder Leerverkäufen).

Chancen und Risiken

Es gilt also, einen solchen Totalausfall zu vermeiden. Aber auch wenn es nicht gleich um den Totalausfall geht, besteht immer das Risiko, dass mein angelegtes Geld weniger wird, weil zum Beispiel der Aktienwert nach unten geht.

Es wird deutlich, dass es bei Geldanlagen immer um ein Verhältnis aus Chance und Risiko geht. Die Chance, mit meiner Investition Geld zu verdienen, steht einem Risiko gegenüber, dass mein investiertes Geld weniger wird.

Es gibt aber Methoden und Möglichkeiten, das Risiko bei Investitionen zu reduzieren. Und diese leiten sich aus statistischen Erkenntnissen ab.

Mal angenommen, wir könnten das Pleiterisiko einer Firma konkret benennen und es läge bei 50%. Wenn ich nun Aktien dieser Firma kaufe, bestünde das Risiko des Totalverlusts bei ebenfalls bei 50%. Kaufe ich nun Aktien einer zweiten Firma, mit noch einmal 50% Ausfallrisiko, dann würde sich das Risiko eines Totalausfalls für mein investiertes Kapital dadurch halbieren: 0,5 * 0,5 = 0,25 = 25%. Das ist reine Mathematik und damit richtig - das wahrgenommene Risiko kann davon natürlich abweichen (und tut es oftmals auch - die wenigsten Gehirne sind auf neutrale Sachlichkeit programmiert).

Aber auch bei 25% Ausfallrisiko kann es natürlich dazu kommen, dass ich mein gesamtes Geld verliere. Beide Firmen könnten aus unterschiedlichen Gründen pleitegehen. Und dann hilft mir auch die theoretische Erkenntnis nicht weiter, dass ich das Risiko meiner Investition vorher halbiert habe. Für mich liegt der Verlust bei 100% - egal wie groß die Chance oder das Risiko vorher waren.

Ableitungen und Handlungsempfehlungen

Da man aber im Allgemeinen nur sehr schlechte Prognosen über Einzelfälle treffen kann (wer weiß schon, wie sich Amazon in 10 Jahren schlagen wird oder ob es das Unternehmen überhaupt noch geben wird, E-Commerce im Allgemeinen wird bis dahin aber wohl weiter wachsen) müssen wir, wenn wir rational handeln wollen, unsere Handlungen auf solchen Statistiken beruhen lassen.

Die Diversifikation fordert an dieser Stelle von uns, dass wir unsere Investitionen möglichst breit streuen, um das Risiko von Verlusten zu reduzieren. Das kann in mehreren Dimensionen erfolgen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

  • Anlageformen (Tagesgeld, Aktien, Fonds, Anleihen, …)
  • Finanzpartner (Banken, Fonds-Ausgabegesellschaften, Staaten, …)
  • Branche (Stahl, Agrar, Textil, Automobil, …)
  • Länder (Deutschland, USA, Mexiko, Dubai, …)

Eine Diversifikation kann also klein bis zu sehr komplex ausfallen. Ich kann mein Geld zum Beispiel in verschiede Anlageformen bei einer Bank investieren. Oder ich verteile gleichzeitig noch auf verschiedene Banken, unterschiedliche Branchen und unterschiedliche Länder. Die Aufgabe der Diversifikation ist im professionellen Anlage- und Portfoliomanagement eine ganz eigene Disziplin und beschäftigt die dazugehörigen Finanzmanager zu einem erheblichen Anteil ihrer Zeit.

Für Privatpersonen muss es vermutlich nicht gleich der große Wurf sein. Man sollte Diversifikation deshalb aber auch nicht ganz ignorieren, nur weil es kompliziert klingt.

An dieser Stelle gibt es keine 08-15-Formel für die einzig wahre und immer passende Art der Diversifikation. Stattdessen muss im Zweifel jeder für sich entscheiden, womit man sich wohl fühlt und welches Risiko man bereit ist zu tragen. Wichtig ist vor allem, dass man sich mit der Lösung wohlfühlt. Habe ich nur ein kleines Vermögen, muss ich natürlich nicht 20 Sparkonten anlegen und jeweils 500 EUR einzahlen. Erst recht nicht, wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gerade rosig sind und es den Banken mehr als gut geht.

Möchte ich meine hart angesparte Altersvorsorge von, sagen wir mal, 200.000 EUR anlegen, sollte ich dies vielleicht nicht unbedingt bei nur einer einzigen Bank außerhalb der EU anlegen (und damit ohne europäische Einlagensicherung). Selbst innerhalb der EU wäre bei einem Ausfall der Bank mein Geld im Rahmen der europäischen Einlagensicherung nur bis 100.000 EUR abgesichert. Daher ist es offensichtlich, das Geld zumindest auf zwei, wenn nicht drei Banken aufzuteilen. Außerdem könnte hier eine Unterscheidung nach unterschiedlichen Anlageformen sinnvoll sein, bei der ich einen gewissen Anteil meines Kapitals bewusst etwas spekulativer anlegen.

Denn Diversifikation funktioniert nicht nur in die eine Richtung, um das Risiko zu minimieren. Durch Diversifikation bekomme ich auch die Möglichkeit, in etwas riskantere Anlageformen zu investieren, um ggf. eine höhere Rendite zu erwirtschaften, ohne gleich mein ganzes Geld darauf setzen zu müssen.

Fazit

Diversifikation ist ein wichtiger Aspekt, um das Risiko von Verlusten auf sein eingesetztes Kapital zu verringern. Ich kann Teile meines Vermögens gezielt in sehr sichere Anlagen investieren und andere Teile bewusst in etwas riskantere. Das Risiko für mein Kapital ist dann lediglich der Durchschnitt aus den einzelnen Anlagen.

Wichtig bei der Diversifikation ist, dass man sie überhaupt vornimmt. Bis heute gibt es viele Menschen, die mangels besseren Wissens (oder vielleicht sogar trotz besseren Wissens) ihr gesamtes Geld auf einem spärlich verzinsten Sparbuch ansammeln und dadurch viele Chancen verpassen, mehr aus ihrem Geld zu machen. Und es gibt die Menschen, die in der Hoffnung auf das große Geld ihr Kapital immer wieder in einzelne Anlageklassen oder sogar einzelne Aktien investieren. Wer in diesem Zustand einmal eine Weltwirtschaftskrise miterlebt hat, wird sich noch lange an den Frust erinnern.

Das Ziel jedes Anlegers sollte es also sein, durch einen gewissen Grad an Diversifikation, das Risiko von zu hohen Verlusten zu reduzieren und gleichzeitig einen gewissen Teil zumindest bereitzuhalten, um sich bietende Chancen auszunutzen.